Gulasch im Wandel der Zeiten

Hat sich mal jemand damit befasst, die Zeit zu messen, die ein Mensch damit verbringt, sich darüber belehren zu lassen, wie schwierig das Leben früher war? Natürlich ist die Welt auch heute noch voller Orte, an denen der Alltag keineswegs leichter geworden ist, aber bestimmt bekommt man da irgendwie das gleiche zu hören.
Nun erreiche ich allmählich den Herbst meines Daseins als Jungspund, jedoch bin ich noch weit davon entfernt, mit der Selbstgefälligkeit, dem Jammern, überhaupt der gesamten Denk- und Gefühlsfaulheit, die man nur allzuoft unter älteren Jahrgängen antrifft, Frieden zu schließen.
Allerdings habe ich heute sinnlich erfahren dürfen, dass wohl doch etwas dran ist, an der Behauptung, dass wir heute eigentlich viel mehr Zeit hätten als früher, wenn wir sie uns nur nähmen.
Gulasch! Man muss sich vorstellen, ein Gericht, dass seinen überwältigenden Geschmack nur dann entwickelt, wenn man es über Stunden hinweg immer wieder anbrennen lässt, nur um es jedesmal knapp nach der allerletzten Sekunde doch noch zu retten.
Ein Tanz, mit einem halbvollen Wasserglas, und einem scharfen Topfkratzer, um den beinahe festgetrockneten Satz wieder in den Zustand rosiger Nässe zu erheben, und der sich alle 15 Minuten wiederholt. Eine Hommage gleichwohl an die Bäuerin, die neben dem Kochen des Familienessens noch einen ganzen Hof zu bewirtschaften hatte. Und eine Probe für das urbane Nervenkostüm eines mitteleuropäischen Großstädters, dem man über Jahre hinweg eingeredet hat, zu langes Kochen würde alles zerstören, was die Zutaten an Gutem zu bieten hätten.