Das Hörbuch an sich

Wenn man Männern um 2.00 Uhr morgens die Wahl zwischen einem Hörbuch und einem pornographischen Bildwerk als Einschlafhilfe lässt, wird sich natürlich eine große Zahl dem Klischee entsprechend für Letzteres entscheiden. Die Begründungen für dieses Phänomen sind mannigfaltig und reichen von neurologischen Fachsimpeleien über die Details bestimmter Entspannungstechniken bis hin zur Unterstellung purer Blödheit.
Das macht mich traurig und ich möchte an dieser Stelle einem der besten Liebesakteinleitungsdialoge gedenken, den es in einem Pornofilm wahrscheinlich je gegeben hat.
SIE (in Reizunterwäsche betritt eine Kammer ihrer Wohnung, zeigt auf den Warmwasserboiler, dreht sich mit dem Zeigefinger Locken): Hier ist der kaputte Boiler.
ER (schwarzes Shirt, schwarze enge Hose, schwarze Maske über dem Gesicht): Warum liegt denn hier Stroh?
SIE (die Stimme etwas tiefer): Warum hast du ne Maske auf?
ER (zuckt mit den Schultern, Daumen in den Hosentaschen): Na dann blas mir doch einen.
Beckett hätte das vielleicht sprachlich ausgefeilter jedoch nicht prägnanter schreiben können.
Es gibt indes auch eine große Gruppe an Männern, die sich eher für das Hörbuch entscheiden würden. Gut, unter denen gibt es natürlich auch eine Art “schweigender Mehrheit”, die das nur der Welt erzählen, aber wenn sie allein sind…
Ich habe ein etwas zwiespältiges Verhältnis zum Hörbuch an sich. Es ist durchaus eine segensreiche Erfindung, die viele von Natur aus eher öde Teile meines Alltagslebens zu verschönern versteht, und ich bin auch fest davon überzeugt, dass es nicht ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Entwertung des Lesens ist. Andererseits ist ein Hörbuch ein bisschen wie eine Pauschalreise. Billig, isolierend und all-inclusive, ob man will oder nicht. Ich weiss ja nicht, wie es anderen so geht, ich jedoch wähle mir meist Hörbücher aus, für deren Druckfassung ich mir weder Zeit noch Ruhe gönnen möchte, die man sich eben nebenbei vorlesen läßt, auf dem Rad, in der U-Bahn, beim Zahnarzt oder als Einschlafhilfe. Dabei handelt es sich leidlich oft um Werke mit entschieden zu hoher Seitenzahl und man kriegt knallhart alles vorgelesen. Das stählt den Geduldsnerv.
“Beim Häuten der Zwiebel” (Pause) “von Günter Grass” (lange Pause)”gelesen”(Päuschen)”vom Autor” – Ich will das nicht!
Jetzt ist es schon nach 3.00 Uhr und ich kann immernoch nicht schlafen. Was mache ich denn jetzt?